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Budowitz - Klezmer pur


“Klezmermusik ist wie ein judisches Gesprach: jeder spricht zur gleichen Zeit. Der einige Unterschied ist, daß wir alle aufeinander horen, und im Grunde das Gleiche sagen. Das ist Heterophonie.”


Eine Begriffsklarung wie diese ist langst überfallig. Denn selbst wenn die jüdische-Musiktradition gegenwärtig an breiterer Beachtung gewinnt, bewegen sich die mit ihr gehegten Assoziationen noch immer in Bereichen a la “Anatevka” und melancholischem Klarinettengedudel. Auch die postmodernen Experimente, die in der Musik der Klezmorim zitierfähiges Material fruchtbar machen, lassen letztlich wenig davon spüren, welche rituelle Bedeutung und Allgegenwartigkeit sie im Leben der jüdischen Gemeinde hatte. “Budowitz”, ein amerikanisch-deustch-ungarisches Ensemble ist jenseits aller Klischees und Post-Mix-Praktiken. Joshua Horowitz (Tsimbl und historisches Akkordeon), Christian Dawid (C- Klarinette), Cookie Segelstein und Támas Gombai Geigen), Sándor Toth (3-saitige Bratsche) und Zsolt Kürtösi (Cello nd 3-saitige Bass) musizieren quasi authentisch. Joshua Horowitz, wissenschaftlicher Kopf der Gruppe, über seine Arbeit stellvertretend für die Praxis von  Budowitz: “Natürlich habe ich frühe Tsimblaufnahmen aus meiner Sammlung gehort, analysiert und transkribiert. Doch ich beschranke mich nicht nur darauf. Da das verfügbare Material nicht ausreicht, muß man innerhalb der musikalischen Sprache kreativ werden und sie weiterentwicklen.”

Soviel zum fundamentalen Unterschied zwischen Authentizitat und Imitation, dem Sprechen einer gemeinsamen Sprache und der blanken Affirmation. Die Musik der Klezmorim ist untrennbar mit den Hochzeitszeremonien verbunden. Sie begleitete das ganze Fest quasi Schritt für Schritt und stand ihrer Ausgelassenheit wegen nicht selten im Feuer der Kritik. Im Prag des 17. Jahrhundert erregten sich nicht-jüdische Musiker derart über die Klezmorim, daß sie von der katholischen Kirche ein Verbot ihrer Aufführungen forderte. Den jüdischen Musikern selbst (das hebraische, “kley zemer” bedeutet nichts anderes als Musiker oder Instrument) war Musik Freitag Abends und Samstags verboten. Was viele der Klezmorim - es bildeten sich ganze Dynastein aus - nicht hinderte, vor einem nicht jüdischen Publikum zu spielen. Die Musik verschloß sich auch nicht den sie umgebenden Einflüssen: Sie amalgamierte orientalisch-slawische Einsprengsel ebenso wie die Musik der Roma und der Galizien, Bukowina und Bessarabien.

In der aktuellen Besetzung hatten die Musiker von Budowitz gut ins Moldawien des 19. Jahrhunderts gepaßt. verschiedene Kombinationen von zwei Geige, Bratsche, C- Klarinette, Knopfakkordeon, Tsimbl, Baraban (Trommel) und Cello entsprechen der Instrumentierung von annodazumal und haben selbst einige Jahrzehnte hinter sich: Joshua Horowitz' Akkordeon - es lieferte der Gruppe auch den Namen Budowitz - datiert aus den Enden des 19. Jahrhunderts. “Unsere Instrumente sind weich und sanft, und doch haben wir die altere Astehtik so weit verinnerlicht, daß wir genau das gleiche machen, was Musiker fruher getan haben: Wir legen die Innenseite des Instrumentes mit Zeitungspapier aus, um es zu dämpfen.” Für das Publikum des 19. Jahrhunderts wäre das Akkordeon zeitgenossischer Klangfarbe wahrscheinlich viel zu schrill gewesen. Doch auch bei dem Publikum des ausgehenden 20. Jahrhunderts kommen die gedämpften, dissonanten Töne und leicht asymmetrischen Rhythmen hervorragend an.

Nicht nur das Volumen, auch der Rhythmus ist in den letzten 80 Jahren einer radikalen Revolution unterzogen worden. Horowitz: “lm Klartext gesprochen heißt das, das Konzept eines präzisen, regularen und konstanten Schlages war dem ästhetischen Empfinden des europaischen Musikers vor der Zeit der Herrschaft der kommerziellen Schallplattenindustrie grundsatzlich fremd.” Tempi und Rhythmen sind in der Klezmermusik im wahrsten Sinne des Wortes dehnbare Begriffe. Indem sie sich dem Tempo und der Gangart des Zeremoniells individuell anpassen, wird sichtbar, wie sehr Musik und Leben ineinanderfallen. Joshua Horowitz ist einer der weltweit an einer Hand abzahlbaren Experten in Sachen Klezmer: “Gezielte Schlampereien, dreckig und dissonant”, mit diesen Vokabeln ließe sich, so Horowitz, die Art ihrer Musik am besten beschreiben. Zsolt Kürtösi bestückt “Budowitz” mit der Cello. Unverständlicherweise ist dieses Instrument weitgehend aus der Praxis eliminiert worden, obschon es seiner höheren Tonlage, seiner größeren melodischen Möglichkeiten und seiner breiten Einsatzfähigkeit wegen mit den anderen Instrumenten besser konveniert. Horowitz, dessen Forschungsreisen ihn in die Ursprungsländer hinter dem Karpatenbogen, sprich die Bukowina, Bessarabien oder Moldawien, führen, erzählt, daß es eine Ironie sei, daß ein Instrument, dessen Wurzeln einst in der Kirchenmusik liege, zum Symbol der Klezmermusik wurde. Die Klarinette (Christian Dawid spielt sie) wurde von den Klezmorim wahrscheinlich wegen ihrer Fähigkeit, die menschliche Stimme nachzuahmen und auch deswegen bevorzugt, weil sie leicht erhältlich war. Und letzlich war es auch die menschliche Stimme, die die Musik der Klezmorim nachhaltig prägte, denn die Verzierungen seien nichts anderes als Nachempfindungen von Weinen und Seufzen, die “Khrekhtser” genannt werden.    Madeleine Napetschnig        


Konzertkritik:

http://www.klezmer.de/Konzerte/K_Budowitz3/k_budowitz3.html


CD Kritik Rubin & Horowitz
http://www.klezmer.de/Platten/P_Tradition/T_Rubin-Horowitz/t_rubin-horowitz.html


CD Kritik:

Hochzeit ohne Braut:
http://www.klezmer.de/Platten/P_Tradition/T_Budowitz-bride/t_budowitz-bride.html                             





 

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